Die Schildkröte und der Kranich: Ein chinesisches Märchen vom 5. Jahrhundert über Freundschaft, Egoismus und Selbstaufopferung?

 Die Schildkröte und der Kranich: Ein chinesisches Märchen vom 5. Jahrhundert über Freundschaft, Egoismus und Selbstaufopferung?

Wer kennt sie nicht, die klassischen Tiermärchen? In ihnen begegnen uns sprechende Tiere, schlaue Füchse, hungrige Wölfe und gutmütige Hasen. Oft dienen sie als Spiegel der Gesellschaft, beleuchten moralische Dilemmata oder vermitteln wichtige Lebenslehren.

Heute möchten wir einen Blick auf ein chinesisches Märchen aus dem 5. Jahrhundert werfen: “Die Schildkröte und der Kranich”. Dieses Werk besticht durch seine einfache Erzählweise und tiefgründige Botschaft.

Die Geschichte im Detail

Ein armer Fischer fand eines Tages eine Schildkröte am Ufer des Flusses. Mit Mitleid nahm er sie mit nach Hause und versorgte sie in seinem Garten. Die Schildkröte, dankbar für die Hilfe, entwickelte eine tiefe Freundschaft zum Fischer und wollte ihm ihre Dankbarkeit auf besondere Weise zeigen.

Eines Tages traf die Schildkröte ihren alten Freund, den Kranich. Sie erzählte ihm von dem Fischer, der sie gerettet hatte, und bat ihn, ihr zu helfen, den Fischer zu belohnen. Der Kranich willigte ein und schlug vor, den Fischer auf den Himmel zu tragen, um ihm die Welt von oben zu zeigen.

Am nächsten Tag holte der Kranich die Schildkröte ab. Er hob sie vorsichtig hoch und trug sie durch die Lüfte. Die Schildkröte genoss den atemberaubenden Ausblick und fühlte sich glücklich und dankbar.

Doch während des Fluges sah die Schildkröte auf dem Boden einen wunderschönen Teich, dessen Wasser so klar und blau glänzte, dass sie sich nicht zurückhalten konnte. “Kranich”, rief sie, “lass mich kurz in diesem Teich baden! Ich möchte das kristallklare Wasser genießen.”

Der Kranich zögerte zunächst, denn er wusste, dass Schildkröten auf dem Land nicht lange überleben können. Doch er wollte seinem Freund keine Freude nehmen und willigte schließlich ein.

Als die Schildkröte im Teich badete, spürte sie den erfrischenden Einfluss des Wassers. Sie genoss es so sehr, dass sie sich weigerte, wieder auf den Rücken des Kranichs zu steigen.

Der Kranich war enttäuscht und sah, wie die Schildkröte immer tiefer in den Teich tauchte. Er versuchte sie zu überzeugen, ihn noch einmal zu besteigen, doch die Schildkröte blieb stur. Schließlich verließ der Kranich traurig seinen Freund und flog zurück in den Himmel.

Interpretation und Botschaft

Die Geschichte von “Die Schildkröte und dem Kranich” ist eine Allegorie für die Gefahren des Egoismus und der Kurzfristigkeit.

Element Bedeutung
Die Schildkröte Symbolisiert Gier und Unzufriedenheit. Sie ist dankbar für den Fischer, lässt sich aber von einem flüchtigen Vergnügen ablenken.
Der Kranich Verkörpert Selbstlosigkeit und Freundschaft. Er ist bereit, alles zu tun, um der Schildkröte zu helfen, erkennt aber ihre Grenzen nicht.

Die Schildkröte vergisst schnell die Hilfe des Fischers und die Güte des Kranichs. Ihr Wunsch nach einem kurzen Vergnügen führt zu ihrem Untergang.

Das Märchen lehrt uns, dass wahre Freundschaft auf gegenseitigem Respekt und Verständnis beruht. Kurzzeitige Genüsse dürfen nicht wichtiger sein als langfristige Beziehungen und Verpflichtungen. Es ist eine Mahnung an uns alle, unseren eigenen Egoismus in Schach zu halten und die Bedürfnisse anderer zu respektieren.

Der Einfluss des Märchens

“Die Schildkröte und der Kranich” gehört zum chinesischen Kulturkreis. Es hat über Jahrhunderte hinweg Generationen von Kindern inspiriert und ihnen wichtige Lebenslektionen vermittelt. Auch heute noch wird die Geschichte erzählt und in verschiedenen Kunstformen interpretiert, wie zum Beispiel in Theaterstücken oder Gemälden.

Dieses einfache, aber tiefgründige Märchen zeigt uns, dass wahre Freundschaft keine Selbstverständlichkeit ist und dass wir sie mit Wertschätzung und Hingabe pflegen müssen.